Vom Gap zwischen neuen Kundenanforderungen und alten Handlungsstrategien – willkommen im 21. Kundenjahrhundert

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Barbara Aigner ist, gemeinsam mit Alexandra Nagy, geschäftsführende Gesellschafterin der Kunde 21 GmbH. Ihre weitere berufliche Tätigkeit schließt unter anderem die Geschäftsführung des Beratungsunternehmens emotion banking, das Betreiben des Wettbewerbs „Top Service Österreich“ sowie Auftritte als Moderatorin und Speakerin ein. Als Branchenprofi mit über 15 Jahren Erfahrung ist sie Expertin beim Thema customer centricity und agiles Management.

Im Gespräch mit Pavelka-Denk erzählt sie von sich verändernden Kundenanforderungen und wie Unternehmen, auch in Coronazeiten, damit umgehen.

Wie ist es zu Kunde21 gekommen – was ist die Idee dahinter und was bedeutet der Name?

Kunde21? Ganz einfach: das steht für die Meisterung der Herausforderungen für Unternehmen im 21. Kundenjahrhundert. Wir sind zu tiefst davon überzeugt, dass Unternehmen in diesem neuen, so fordernden Jahrhundert, nur dann erfolgreich sein können, wenn sie sich gnadenlos auf die Bedürfnisse des Kunden ausrichten.

Kunde 21 ist für uns aber nicht nur ein Name, sondern Auftrag und Programm gleichermaßen. Alexandra war lange Zeit in Führungsfunktionen in Konzernorganisationen tätig. Dort hat sie oftmals erlebt, dass Unternehmen viel zu stark vom Produkt weg denken und optimieren und den Kunden zu wenig berücksichtigen. Und ich – ich bin seit 18 Jahren Unternehmerin & Beraterin – habe beobachtet, dass Kundenorientierung für viele Unternehmen die Aufgabe des Kundenservices, des Vertriebs ist, aber nicht eine Haltung ist, die das gesamte Unternehmen einnehmen sollte, ja sogar müsste. Fakt ist, dass die Strategien der Vergangenheit nicht erfolgsversprechend für die Herausforderungen der Zukunft sind. Insofern fühlen wir uns fast dazu berufen, Unternehmen mit agilen Methoden und Ansätzen dabei zu begleiten, sich für das 21. Kundenjahrhundert fit zu machen; zu erkennen, wer die Kunden der Zukunft sind, welche Anforderungen sie an Unternehmen stellen und wie sich das gesamte Unternehmen, Mitarbeiter wie Führung aller Bereiche, auf den Kunden ausrichten kann.

Wo liegt der Unterschied zwischen dem Kunden des 21. Jahrhunderts und dem Kunden der Vergangenheit?

Insgesamt hat sich viel getan. Gesellschaftlich gibt es einen großen Wandel – der Anspruch des Kunden ist ein anderer als früher. Eine Aussage des Zukunftsforschers Horst Opaschowski gefällt mir sehr gut und beschreibt den aktuellen Wandel hervorragend. Er sagt, dass Menschen heute das Bestreben haben, gut zu leben anstatt viel zu haben. Was heißt das? Ganz einfach. Kunden wollen im Hier und Jetzt leben und es sich gut gehen lassen. Bedeutet im Umkehrschluss für Unternehmen, dass Ansparmodelle, sich irgendwann etwas Wertvolles leisten können, nicht mehr so funktionieren wie in der Vergangenheit. Das ist eine große Herausforderung; nicht das Auto kaufen, sondern für eine Fahrt mieten; nicht das geliebte Fahrrad kaufen, sondern für die Strecke nutzen, für die man es braucht; nicht für die langersehnte Reise sparen, sondern Wohnung tauschen. Nicht etwas neu kaufen, sondern gebraucht nutzen. Puh, da kommt auf die Unternehmen einiges zu…

Zudem ist der Kunde viel informierter und weiß viel klarer, was er von einem Unternehmen erwarten kann. Klar, das Internet war und ist hier ein Aufklärungsturbo, aber auch Social Media Plattformen befeuern den Wissensstand der Kunden. Ergänzend ist der Kunde nicht mehr so leicht einschätzbar. Heute kauft er beim Hofer, morgen beim Meinl am Graben. Heute geht er zu McDonald‘s, morgen in ein Haubenlokal. Das klassische Zielgruppendenken in Unternehmen muss damit abgelöst werden durch eine individuelle und bedürfnisorientierte Betrachtung jedes einzelnen Kunden.

Ja, und dann gibt es immer mehr Kunden, die auf der Suche nach einer Sinnkomponente sind. Sie möchten in einem Unternehmen oder einem gewissen Produkt einen Sinn erkennen, der sich mit ihrem eigenen Wertekorsett vereinen lässt. Für diese Kunden geht es nicht nur um reinen Konsum, sondern um den Ausdruck einer Lebenseinstellung.

Umgelegt auf die Personalsuche: Wie wird sich dieses Kundenbild speziell auf die Suche von Vertriebsmitarbeitern auswirken?

Die Auswirkungen sind enorm. Der Wertewandel in der Gesellschaft bedeutet, dass ein Mitarbeiter erst dann zu einem Unternehmen gehen möchte, wenn das Unternehmen und seine Werte zu den eigenen Vorstellungen passen. Personalsuchende müssen auf mehr als nur den klassischen CV achten. Wie tickt der Kandidat, welche Werte hat er, was ist ihm wichtig, welchem Sinn im Leben geht er nach und passt all das tatsächlich zu dem Unternehmen?

Mitarbeiter sind heute ja auch viel informierter – Unternehmen werden auf diversen Plattformen zur Schau gestellt, man erfährt viel mehr als in der Vergangenheit. Unternehmen sollten sich fragen: „Was kann ich zusätzlich noch leisten, um diesen Cultural Fit zu bewerkstelligen“ – Informationen bekommt man ja im Netz sowieso.

Hat sich die Situation mit Covid-19 nun verändert?

Was sich auf jeden Fall verändert hat, ist, dass der Digitalisierungsschub tatsächlich stattgefunden hat. Viele Unternehmen, die noch im letzten Jahrhundert waren und Digitalisierung vor sich her geschoben haben, haben zumindest jetzt erkannt, wie wichtig es ist, die Mitarbeiter zumindest mit Grundwerkzeugen auszustatten und eine mobile Arbeitsweise zu ermöglichen.

Es hat aber auch eine Veränderung in der Arbeitsweise selbst stattgefunden – Stichwort Home Office. Unternehmen sind eher dazu bereit, Mitarbeitern mehr Flexibilität zu bieten und ein Home Office zu ermöglichen. Wiewohl gefühlt nach diesem halben Jahr schon wieder ein erster Rückwärtstrend stattfindet – man wird sich hier wohl auf einen Mittelweg einpendeln müssen, also 1-2 Home Office Tagen pro Woche den Mitarbeitern anbieten. Ich denke allerdings schon, dass ein gemeinsames Office, ein Zusammenkommen, ein sich Austauschen, extrem wichtig ist, um Kultur und Teamgeist zu leben und Werte zu vermitteln.

Von dem Konzept New Work – nämlich Menschen absoluten Freiraum zu geben und darauf zu vertrauen dass dieser gut und kreativ genutzt wird – sind wir aber noch weit entfernt. Das liegt jedoch nicht nur an den Unternehmen und Mitarbeitern, sondern auch am gesamten System.

 

 

Interviewt: 22.09.2020, Dr. Barbara Aigner, Geschäftsführende Gesellschafterin Kunde 21, Geschäftsführerin Top Service Österreich, CEO emotion banking

 

 

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