„Durch Software allein baue ich keine Beziehungen auf“

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Moricz Kopitsch ist Co-Gründer von Digital Advisory (DIAD GmbH) einer B2B Marketing & Vertriebsagentur. Im Gespräch mit den Personalberaterseitenblicken erzählt er über Beziehungsmanagement im digitalen Zeitalter und wie sich die digitale Zukunft aus seiner Perspektive entwickeln wird.

Herr Kopitsch, was macht die Digital Advisory genau?

Bei Digital Advisory konzentrieren wir uns auf Beziehungsmanagement für Marketing und Vertrieb. Was heißt das genau? Wir helfen Unternehmen im B2B Bereich, die ihren kommerziellen Erfolg aus Marketing- und Vertriebstätigkeiten schöpfen dabei, den Schritt in die Nutzung digitaler Kanäle zu schaffen, um ihren Betriebserfolg nachhaltig zu verbessern. Dafür besteht Digital Advisory aus drei Geschäftsbereichen – „DIAD Grow“, „DIAD Lead“ und „DIAD Transform“. Grow fasst in unterschiedlichen Programmen wie Lead-Generation, Account Based Marketing oder Content Repurposing zusammen was für digitales B2B Marketing und Vertrieb heutzutage notwendig ist. Mit „DIAD Transform“, im Sinne digitaler Transformationsberatung – unterstützen wir dabei das Potenzial aus der Nutzung von Digitalisierung, aufbauend auf den vier Säulen Organisation, Prozesse, Technologie und Menschen, besser in Unternehmen zu verankern. „DIAD Lead“ ist unteranderem das Bindeglied zwischen den beiden. Lead steht für „Execution Enablement“ und kommt dann zum Einsatz, wenn Organisationen die Implementierung einer Strategie verfolgen aber nicht über das benötigte Know-How oder entsprechend ausgebildete Ressourcen verfügen. Dann helfen wir dabei, die Idee in die Tat umzusetzen, also die „Execution“ zu „enablen“ (Anm. d. Red. „befähigen“) und oft globale Strategien in lokalen Märkten im DACH-Raum umzusetzen.

War Beziehungsmanagement von Anfang an Ihr Hauptfokus?

Unsere Produktidee hatte ihre Wurzeln zunächst in der Pharmabranche. Wir, das sind mein Gründungspartner Roman Walter und ich, haben dann relativ schnell in ersten Proof of Concepts mit Unternehmen anderer Branchen festgestellt, dass die Idee auch in einem anderen Rahmen funktioniert. So hat sich die Ursprungsidee sukzessive gewandelt. Unsere zusammengerechneten 40 Jahre Erfahrung in der digitalen Marketingbranche haben uns gelehrt, dass gerade in der digitalen Branche Anpassungsfähigkeit unabdingbar ist. Wir sind also „mit dem Flow gegangen“ und haben immer wieder abgesteckt, wo wir für uns selbst den größten Spaß und Erfolg sehen. Wer strikt an seinem Businessmodell festhalten will, ist in der digitalen Branche sowieso falsch.

Sie sprechen bei Digital Advisory von Beziehungsaufbau und -management durch Automatisierung. Gerade in Beziehungen spielt der persönliche Aspekt eine große Rolle, im digitalen Zeitalter und nicht zuletzt durch Automatisierung geht er jedoch oft verloren. Wie kann das also funktionieren?

Aus heutiger Sicht ist es – meiner Ansicht nach – komplett illusorisch, den Menschen aus der Digitalisierung herauszudenken und umgekehrt. Zumindest die nächsten 5 bis 10 Jahre wird das, was in Marketing und Vertrieb passiert, noch vom Menschen gesteuert sein, und zwar vom Menschen allein. Bezeichnend für unser menschliches Wesen ist es schließlich, zwischen den Zeilen lesen zu wollen. Das, was in einer Interaktion als authentisch wahrgenommen wird, nämlich die Emotion, das wollen wir Menschen spüren, erfassen, begreifen. Diese Wörter an sich stellen schon ein Hindernis im digitalen Kontext dar. Ich kann jemanden im digitalen Kontext nicht wirklich begreifen, nicht einmal im Metaverse, zumindest noch nicht. Deshalb spielen psychologische Themenbereiche wie Verkaufspsychologie bzw. Kommunikationstheorie eine wichtige Rolle für Digitalisierung und Automatisierung.

Was bedeutet das für den Beziehungsaufbau?

Nehmen wir als Beispiel das Netzwerk LinkedIn. Ich kann meinen Netzwerkaufbau auf LinkedIn bis zu einem gewissen Grad automatisieren. Ich kann mehr Menschen erreichen, indem ich Technologien nutze, um an sie heranzukommen. Werde ich dadurch Beziehungen aufbauen? Nein, durch die Nutzung von Software allein baue ich keine Beziehungen auf. Das heißt, der Mensch ist nach wie vor gefragt. Was es aber gibt, sind unterschiedliche Taktiken und Prozesse, die im digitalen Kontext besser funktionieren als im realen Leben und diese kann man erlernen und implementieren. Dabei werden technologische Faktoren wie Funktionsweisen von Algorithmen oder andere Gesetzmäßigkeiten, die sich in den jeweiligen digitalen Kanälen entwickelt haben, berücksichtigt. Kennt man diese nicht, gleicht der Beziehungsaufbau im digitalen Kontext einem riesigen Haufen Mikado-Stäbchen. Bei derartigen Problemstellungen kommt man zu uns. Wir helfen dabei Struktur zu schaffen und begleiten am Weg zum Erfolg mit den entsprechenden Strategien und Taktiken.

Können Sie ein Beispiel zu diesen Taktiken geben?

Bleiben wir bei LinkedIn. In vielen Köpfen existiert die Vorstellung von der Technologie als Heilsbringer, man braucht nur den berühmten roten Knopf zu drücken und die Technologie löst automatisch alle Probleme. Dem ist eben leider nicht so. Auf LinkedIn ist das Führen von Konversation und echtem Austausch der Schlüssel zum Beziehungsaufbau. Wenn ich mit jemandem spreche, kann ich eine Beziehung aufbauen – das gilt auch für digitale Plattformen wie LinkedIn. Klingt vielleicht sehr banal, aber im digitalen Kontext geht das leider oftmals verloren. Wir erleben viele Kunden, die sich auf LinkedIn bewegen und der Meinung sind, das Konzept funktioniere nicht für sie. Fragen wir dann nach, welche Schritte genau unternommen wurden, kommt schnell heraus, dass die „rote Knopf-Taktik“ angewandt wurde.

Ich vergleiche soziale Netzwerke gern mit Brieffreundschaften oder Telefon-Beziehungen. Der einzige Unterschied zwischen sozialen Netzwerken und dem realen Leben, ist der Kanal, nämlich der digitale. Gerade hier muss man sich austauschen und werthaltigen Informationsinhalt von sich geben. Wenn ich mit jemandem, der auf LinkedIn aktiv ist, in Kontakt treten möchte, muss ich zuerst irgendeine Art der Kontaktanbahnung starten. Funktioniert das nicht, gibt es noch andere Möglichkeiten, um in Austausch zu gehen. Ist die Person auf LinkedIn aktiv, wird sie sehr wahrscheinlich Inhalte posten. Postet jemand etwas, dann vermutlich deshalb, weil er:sie der Meinung ist, dass die Inhalte relevant für den eigenen Kontakt- und Dunstkreis sind. Wenn ich bei solchen Posts gehaltvolle Kommentare verfasse, kann daraus in einem signifikant höher als erwarteten Prozentsatz eine Konversation entstehen. Die Leute, die LinkedIn oder ähnliche Kanäle tatsächlich ernstnehmen sind deswegen dort aktiv, weil sie mit ihrer Community in Austausch treten wollen und antworten daher meistens zurück. Aus dieser Antwort kann ein Gespräch entstehen, aus diesem Gespräch wiederum kann ein tiefergehender Austausch entstehen, der vielleicht sogar außerhalb von LinkedIn geführt wird. Wenn Sie es von einem Kanal in den nächsten geschafft haben, steht einer nachhaltigen Beziehung wenig im Weg außer man selbst. Man kann es sich wie ein Ansprechen in einer alltäglichen Realsituation vorstellen. Was oft vergessen wird, ist sich selbst ausreichend zu präsentieren. Im realen Leben können wir einander eben spüren, erfassen, begreifen. Im digitalen Kontext nehmen Profil und Inhalte diese Funktion ein.

In unserem Kontext steht jedoch kommerzieller Druck dahinter. Wir sprechen nicht bloß Individuen an, sondern Organisationen und deren Mitarbeiter:innen, die ihrem Unternehmen oder sich selbst zu einem gesteigerten kommerziellen Erfolg verhelfen wollen. Es geht deshalb sehr wohl um Volumen und um Prozesse, um Ressourcen und um Aufwand.

Wo kommt die Automatisierung ins Spiel?

Im Beispiel LinkedIn kann Automatisierung an mehreren Stellen ins Spiel kommen, auch wenn es sich in diesem Fall lediglich um einen Kanal handelt. Natürlich kann ich auch Omnichannel arbeiten, also in über mehrere Kanäle hinweg, und muss mich nicht auf einen einzelnen limitieren. Das erhöht zwar die Komplexität exponentiell, aber gleichzeitig die Erfolgschancen. Automatisiert werden kann vieles, beispielsweise Kontaktanfragen, Rückmeldungen auf Antworten, bis hin zu Teilstrecken von Konversation. Ich kann auf Aktionen von anderen mit einer Automatisierung reagieren oder meinen Content und seine Distribution automatisieren.

Zu beachten ist aber, dass ein ausschließlich reaktives agieren zu Desinteresse beim Gegenüber führen kann. Schließlich beruhen Beziehungen auf gegenseitigem Interesse. Deswegen muss ich aktiv werden und Werthaltiges von mir anbieten. Die meisten Menschen bevorzugen angesprochen zu werden, statt selbst ansprechen zu müssen. Wir erleben schon, dass da eine gesunde Angst mitspielt, denn nicht jede:r fühlt sich berufen zum Content Creator. Wir sehen es als unsere Aufgabe zu begleiten und das Individuum aus dem Businesskontext zu greifen, um jede:n einzelne:n dorthin zu bringen, wo es für ihn:sie am Sinnvollsten ist und den Prozess zu wählen, in dem auch die unternehmerische Erwartungshaltung der Organisation befriedigt wird.

Was passiert, wenn Digitalisierung zur Norm geworden ist? Was kommt nach der Digitalisierung?

Aus philosophischer Sicht würde ich sagen, dass unser Streben nach Digitalisierung dem Streben nach Einigkeit gleicht. So sind wir doch bereits alle verbunden mit allem. Digitalisierung ist unsere menschliche Antwort auf einen universellen Zustand. Ich bin überzeugt davon, dass künstliche Intelligenz und die zunehmende Technologisierung nach und nach Einzug in Bereichen halten werden, die wir momentan noch nicht für relevant oder möglich halten. So lange Aspekte unseres Lebens – wie eben der Beziehungsaufbau – davon getragen werden, dass wir mit Empathie, Emotion und menschlicher Umsichtigkeit arbeiten müssen, und keine Maschine das leisten kann, so lange werden digitale Prozess transaktional bleiben. Wir werden effizienter und effektiver in unseren Tätigkeiten werden und gewisse Aktivitäten, die wir jetzt manuell ausführen, nicht mehr machen müssen. Digitale Transformationsarbeit wird weiter dabei helfen, das, was heute noch nicht digital dargestellt werden kann, besser abzubilden. Ich sehe Digitalisierung als das Handwerk des 21sten Jahrhunderts. Das ist kein „heute-auf-morgen“-Skill, denn der Mensch steht im Zentrum jedes digitalen Prozesses, und das soll er auch. Wird das außer Acht gelassen, arbeiten wir am Ziel vorbei und wundern uns dann oft, warum die vermeintlich neuen Prozesse nicht funktionieren. Insgesamt kratzen wir nach wie vor gerade mal an der Oberfläche. Mit der Zeit werden wir immer mehr Bereiche unseres Lebens digital erschließen, davon bin ich überzeugt. Wenn auch ich sehr hoffe, dass es Bereiche geben wird, die von der Digitalisierung nicht erreicht werden. Ich würde mein Wiener Schnitzel ganz gern weiterhin von einem realen Teller essen, und nicht im Metaverse.

Interviewt: 23.06.2022, Moricz Kopitsch, Co-Founder und Geschäftsführer digital advisory

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