Nehmen Sie das Ruder in die Hand – Interview mit Spitzensportler Bernhard Sieber

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Bernhard Sieber ist Profisportler im Rudern. Der Weltmeister und Olympia-Athlet hat nach Beendigung seiner aktiven Sportlerkarriere eine eigene Coaching- und Beratungsfirma auf die Beine gestellt. Was es bedeutet “im selben Boot zu sitzen” und wie er mit seiner Leistungssporterfahrung Führungskräfte unterstützen kann, erzählt er im Interview mit den Personalberaterseitenblicken.

Was hat Rudern eigentlich mit Coaching zu tun?
Zentral bei meinen Coachings und Workshops ist, dass ich das Rudern als Erlebniselement für Teams verwende. Das Ruderboot ist eine uralte und bekannte Metapher für Teamarbeit. Wir alle kennen Aussagen wie “Wir sitzen im selben Boot”, “Nimm das Ruder in die Hand” oder die Redewendung “etwas läuft aus dem Ruder”. Genau diese Metapher erklärt, was das Rudern mit dem Teamcoaching verbindet. Anders als im normalen Coaching oder Seminarsetting werden durch das gemeinsame Erlebnis viele Prozesse angreifbarer und erlebbarer gemacht.
Das führt zu einer Out-of-the-box Erfahrung– man sitzt tatsächlich im selben Boot. Man erlebt, was es bedeutet, gemeinsam zu rudern, gemeinsam Rhythmus zu gestalten und schlussendlich gemeinsam in den Flow zu kommen. Dieses Erlebnis kann man nutzen, um darauf aufbauend die verschiedenen Prozesse der Teamarbeit zu bearbeiten und ein Coaching zu gestalten.

In Zeiten von Corona – wie wichtig ist das Team und was kann es bewegen?
Ich glaube das Team ist das, was uns momentan am meisten fehlt. Vielerseits wird versucht, das Teamgefühl am Leben zu erhalten, dabei fehlt aber einfach oft der zwischenmenschliche Kontakt und der informelle Austausch.
In einem Team zu sein, bedeutet, dass man relativ viel Zeit gemeinsam verbringt – und zwar face-to-face, in direktem Kontakt. Wenn man einmal darüber nachdenkt, gibt das einem sehr viel – Vertrauen, Sicherheit, Austausch. Viel davon fehlt aktuell. Wie es so oft der Fall bei uns Menschen ist, nehmen wir Dinge erst dann wahr, wenn sie uns fehlen.
Aber genau diese Werte sind zentral für ein Team. Ich denke, das sind die Themen, über die man jetzt intensiv nachdenken sollte: wie können wir uns als Team diesen Rückhalt, diese Sicherheit und dieses Vertrauen bzw. die Vertrautheit im Alltag – nämlich zu wissen, dass jemand da ist für mich – zurückholen. Wie kann man diese Komponenten wieder möglich machen? Das sind die großen teambezogenen Fragen in Zeiten von Corona, denen sich sowohl Führungsverantwortliche als aber auch Teammitglieder, Coaches und Berater stellen sollten. Um bei der Metapher zu bleiben – wie können wir uns gegenseitig das Gefühl geben, im selben Boot zu sitzen, anstatt dass jeder alleine aus seinem Home Office aus arbeitet.

Worauf würden Sie empfehlen bei der Personalsuche, der Teamzusammenstellung und der Mitarbeiterentwicklung zu achten?
Bei der Teamzusammenstellung ist der Cultural Fit wichtig. Wenn jemand neu ins Team kommt, darauf zu achten, dass diese Person grundlegend dazu passt. Dabei geht es nicht darum, dass jemand gleich ist, sondern darum, im Team das Bewusstsein dafür zu schaffen, was die grundlegenden Werte sind. Darauf aufbauend ist es dann sehr wertvoll, wenn Diversität im Team vorhanden ist. Die Grundhaltung muss aber einfach stimmig sein.
Ich habe von vielen Leuten, die ein eigenes Unternehmen von der Pike aufgebaut haben, den Ratschlag bekommen, bei solchen Entscheidungen auf das Bauchgefühl zu hören. Wenn die erste intuitive Reaktion ist, dass jemand nicht ins Team passt, hat das oft einen Grund. Wenn der erste Fit da ist, kann man weitermachen. Vergleicht man es wieder mit dem Rudern– wir sitzen im selben Boot – kann man sich folgende Fragen stellen: Ist es jemand, der rudern kann? Also jemand, der das Fachwissen mitbringt und das Team ergänzt oder diverser und damit besser macht? Hat die Person die grundsätzliche Bereitschaft, mit uns rudern zu wollen? Ist er/sie bereit dazu, gemeinsam einen Rhythmus zu finden? Wenn das gegeben ist, kann man ruhigen Gewissens weiter machen. Wenn nicht, würde ich dazu raten, weiterzusuchen.

Bezüglich der Mitarbeiterentwicklung: auch da muss definiert werden, was die Bottom Line bzw. die Core Values sind. Was ist unser Purpose, wer sind wir eigentlich? Sobald das klar ist und das grundsätzliche Commitment sowie Vertrauen da ist, kann sich jeder weiterentwickeln. Auch in ganz verschiedene Richtungen – je diverser und unterschiedlicher die Entwicklungsmöglichkeiten im Team sind, desto besser, solange alles auf einen gemeinsamen Nenner zusammengeführt werden kann. Diesen gemeinsamen Nenner zu definieren ist die Grundlage dafür, frei zu gestalten, weil man im Hinterkopf die Sicherheit hat, dass alles sowieso auf ein gemeinsames Ziel zusammenläuft.

 

 

Interviewt: 22.10.2020, Bernhard Sieber, MBA – Leadership Coach, Transformation Coach, Leistungssportler Rudern
www.bernhardsieber.at

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