Mehr Inklusion im Recruitingprozess – myAbilty Co-Founder Wolfgang Kowatsch im Gespräch

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Inklusion im Arbeitsalltag – ein Thema, das zum Glück immer stärker an Wichtigkeit gewinnt. Im März führte Mag. Hermann Pavelka-Denk im Rahmen unseres Webcasts mit myAbility Geschäftsführer und Co-Founder Mag. Wolfgang Kowatsch bereits ein Gespräch dazu (hier geht es zur Aufzeichnung).

Nun haben wir Herrn Mag. Kowatsch nochmals zum Gespräch eingeladen und unter anderem darüber gesprochen, wie Personalberater auf das Thema Inklusion achten können und welche positiven Auswirkungen die Coronapandemie für die Sensibilisierung in diesem Bereich hatte.

Herr Mag. Kowatsch, was genau macht myAbility?

myAbility ist ein Social Enterprise, das Unternehmen dabei hilft, das Thema Inklusion in der eigenen Organisation voranzutreiben. Gleichzeitig wird von einer offenen Organisationskultur innerhalb des Unternehmens und barrierefreien Angeboten profitiert. Wir wollen mit den Unternehmen gemeinsam wirtschaftliche Vorteile erarbeiten, sodass sich Inklusion für alle rentiert. Dafür gibt es verschiedene Lösungen: unser Angebot besteht aus einer Online-Jobplattform (myAbilty.jobs), einem Studenten-Recruiting-Programm sowie aus der strategischen Unternehmensberatung im Bereich Inklusion und diversen (digitalen) Schulungen.
Die Metaebene unserer Mission, wofür wir stehen und uns mit viel Energie einsetzen, lautet: Gemeinsam mit der Wirtschaft für eine chancengerechte und barrierefreie Gesellschaft. Diesen Ansatz verfolgen wir auch selber mit mittlerweile ca. 15 Mitarbeiter:innen mit Behinderungen – das ist die Hälfte unseres Teams.

Welche Unterstützungsmöglichkeiten kann man als Unternehmen bei myAbility in Anspruch nehmen?

Die von uns angebotenen Lösungen teilen sich in vier Säulen auf: Beratung, Trainings, Recruitingunterstützung und Barrierefreiheit. Der Ausgangspunkt ist meistens die Beratung. Hierbei geht es um die Frage: „Wie kann ich als Unternehmen das Thema Inklusion von Menschen mit Behinderungen im Betrieb und als Kunde gewinnbringend organisieren?“ Das kann man sich folgendermaßen vorstellen: viele Unternehmen verfolgen eine Diversity Strategie und machen beispielsweise einiges im Bereich Gender oder zu anderen Themen. Zum Thema Behinderung jedoch machen die meisten wenig bis gar nichts. Wenn etwas gemacht wird, dann meist punktuell. Und genau hier können wir mit Know-How und viel Erfahrung unterstützen und Unternehmen über die nächsten Jahre hinweg begleiten, damit klare Ziele formuliert werden und der Erfolg auch nachweisbar ist. Das ist unser Kerngeschäft, welches gemeinsam mit den Trainings mehr als 50% unseres Umsatzes ausmacht.

Die zweite Säule, die auch immer wichtiger wird, ist die Sensibilisierung für Awareness Trainings. Hier gehen wir mit Führungskräften den Fragen nach: „Wie stehe ich persönlich als Führungskraft zum Thema Behinderung und zu Mitarbeiter:innen und Kund:innen mit Behinderungen? Wie kann ich diese gut managen, was darf ich selbstbewusst sagen und was sollte ich lieber vermeiden? Was sind die Vorteile?“ – diese und ähnliche Agenden besprechen wir. Mittlerweile machen wir in diesem Bereich viel online, ein aktuelles Beispiel dafür ist ein großes E-Learning Projekt. Wir versuchen die Erkenntnisse und Sensibilisierungen für jeden im Unternehmen abzubilden. Diese Säule macht ungefähr 20-25% unserer Projekte aus.

Die dritte wichtige Säule ist das Thema Recruiting. Wir betreiben eine der ältesten und die mittlerweile größte Jobplattform im deutschsprachigen Raum für Menschen mit Behinderungen: myAbility.jobs. Vor 10 Jahren haben wir in Österreich gelaunched, damals noch unter anderem Namen. Seit fast einem dreiviertel Jahr sind wir in Deutschland vertreten und haben zukünftig auch Pläne für andere Regionen. Wir möchten im deutschsprachigen Raum Marktführer sein.
Im Bereich des Recruitings gibt es zusätzlich die schon erwähnten Studierendenprogramme. Dabei matchen wir im halbjährlichen Rahmen Studierende mit Behinderungen mit Unternehmen. Begleitend dazu haben wir als vierten und kleinsten (aber ebenfalls wichtigen) Bereich ein Netzwerk, wo man Veranstaltungen organisieren und an solchen teilnehmen kann.

Hat sich in der Coronapandemie die Nachfrage verändert? Wie hat sich die Situation auf myAbility ausgewirkt?

Zu Beginn war unsere Sorge groß, dass das Thema Inklusion als eine „Nice-to-have“-Angelegenheit in den Hintergrund rückt. Dann hat sich herausgestellt, dass es mit der Wirtschaft nicht ganz so stark bergab geht, wie befürchtet. Wir haben gemerkt, dass das Thema Diversity & Inclusion sehr große Aufmerksamkeit erhält – nicht zuletzt auch durch Corona. Das heißt, wir sehen sogar mehr Nachfrage als vor der Krise. Der Perspektivenwechsel hinsichtlich Themen wie Home Office, niemanden zurücklassen, jeder soll mitmachen können und unterstützt werden – all das ist viel präsenter in den Köpfen der Menschen. Dadurch kommen auch wir mit unserem Thema leichter voran.

Wir sehen das also durchaus optimistisch. Wir glauben daran, dass Inklusion wirklich ein Zukunftsthema ist. Die soziale Nachhaltigkeit wird generell immer stärker bewertet, beispielsweise von Ratingagenturen, von Banken, etc. Unternehmen, die hier Initiative zeigen, sollten dafür belohnt werden und dementsprechend eine bessere Einstufung erhalten. Das ist ein nicht unwesentlicher Faktor. Wir glauben, dass die Future of Work am Thema Diversity und Inklusion nicht vorbeikommen wird.

Kurz gefasst also: wir brauchen jetzt nicht mehr so lange, um unsere Idee zu erklären. Viele Personen können mit dem Wort Inklusion aktuell mehr anfangen, als noch vor zwei, drei Jahren. Dieser Umstand hilft unserer Arbeit sehr.

Wie können Personalberater:innen und HR-Verantwortliche auf mehr Inklusion im Recruitingprozess achten?

Ich beantworte die Frage einmal mit einer möglichen kleinen Hürde: es besteht die Herausforderung, dass ein Player im Recruitingprozess zwischengeschaltet ist, der dem Thema gegenüber nicht sehr offen ist oder noch nicht viel darüber weiß. Eine Behinderung könnte dann beispielsweise als Minderleistung interpretiert werden. Oder, dass Kandidat:innen aufgrund Lücken im CV, die auf nicht angegebene, unsichtbare Behinderungen zurückzuführen sind, herausgefiltert werden. Das sind die potentiellen Gefahren.

Andererseits besteht eine große Chance – wenn Personalberater:innen über Know-How verfügen und sensibilisiert sind, kann das einen positiven Effekt auf die zukünftige verstärkte Mitarbeit haben. Sourcing Mitarbeiter:innen, die bereits wissen, wie sie gewisse Gegebenheiten einordnen können, sind in der Lage, ihre Kund:innen darauf hinzuweisen, worin der Mehrwert besteht und was die Voraussetzungen für eine gute Zusammenarbeit sind.

Aus meiner Sicht liegt der Schlüssel im Recruiting darin, Erfahrung zu sammeln und Know-How hinsichtlich Inklusion aufzubauen – was darf ich fragen, und was soll ich überhaupt fragen, um möglichst viel herauszufinden? Wie beschreibe ich den Job möglichst sachlich, funktional anstatt emotional?
Ein weiterer Aspekt ist die Barrierefreiheit: wie stelle ich sicher, dass die Website, die ich als Personalberater:in betreibe, für jeden lesbar und nutzbar ist? Wenn dieses Basis-Know-How für Personalberater:innen und HR-Verantwortliche da ist, muss man gar nicht viel zusätzlich machen. Dann kann man als Personalberater:in ein sehr gutes Bindeglied sein und vielleicht den eigenen Kund:innen die Vorteile von Inklusion, wie beispielsweise mehr Diversität im Unternehmen, näherbringen.

 

 

Interviewt: 29.06.2021, Mag. Wolfgang Kowatsch, Chief Growth Officer und Co-Founder bei myAbility Social Enterprise GmbH

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