Boreout: Bürotod durch Langeweile

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Ein Beitrag von Benedikt Mandl:

Chronische Unterforderung, zu wenig Anerkennung und fehlende Motivation können Ursachen für Boreout sein. Das Kranheitsbild ist umstritten, aber tritt auch in Österreich auf, sagen Experten.

Im Jahr 2007 erschien ein Buch, das im deutschsprachigen Raum innerhalb der Job- und Karriereszene für großes Aufsehen sorgte: Neben dem weithin bekannten "Burnout" Syndrom bei massiver Überforderung seien viele Arbeitnehmer auch vom "Boreout" gefährdet – der Entwicklung eines Krankheitsbildes durch chronische Unterforderung. So die Autoren Philippe Rothlin und Peter R. Werder. 

Ist Boreout Blödsinn?

Blödsinn, hieß es von Kritikern recht schnell; die "Diagnose Boreout" sei von den beiden Autoren nur erfunden worden, um ein Buch mit spannendem Titel gut zu verkaufen. Das gelang auch: Das Buch, das auf amerikanischen Studien aufbaut, wird seither heiß diskutiert und immer wieder mit Preisen ausgezeichnet – oder eben verrissen. Wie aber steht es um Boreout in Österreich?

"Boreout gibt es auf jeden Fall und ist in Österreich vor allem bei Großunternehmen sehr stark verbreitet", ist Dr. Wolfgang Amanshauser überzeugt. Der Karrierecoach und Berater aus Salzburg nennt auch Berufsgruppen, die besonders häufig davon betroffen sind: Sekretäre und andere Arbeitskräfte, die Assistenztätigkeiten verrichten. Aber sind diese Berufsgruppen nicht eher durch einen hektischen Arbeitstag geplagt? Da gilt es, die Hintergründe von Boreout genauer zu erklären.

Hektische Unterforderung

Philippe Rothlin und Peter R. Werder zeichnen in ihrem Buch ein klares Bild von Boreout: Es beginnt damit, dass Mitarbeiter unterfordert sind, zu wenig Anerkennung für ihre Leistungen erhalten, unmotiviert sind und sich unzureichend mit ihrer Arbeit identifizieren. Der nächste Schritt klingt paradox: Um sich den Zustand der Unterforderung zu erhalten, sucht der Arbeitnehmer Strategien, um sich zusätzliche Aufgaben vom Leib zu halten. Er verwendet Energie darauf, beschäftigter zu wirken, als er tatsächlich ist. 

Surft er auf Facebook, so schaltet er schnell um, wenn ein Kollege den Raum betritt – und wirkt dabei so, als würde er arbeiten. Ist er mit einer Aufgabe fertig, so wartet er noch einige Minuten und liest kurz in einer Zeitung, ehe er zum Chef geht. Auf diese Weise verschafft er sich systematisch Freizeit in der Arbeitszeit, was die Unterforderung nur noch verschärft. Die Konsequenz ist dem Burnout gar nicht unähnlich: Frust, Gereiztheit, bis hin zu Depressionen.

Ein Phänomen in Großunternehmen

"Das Boreout hat durch das Internet eine neue Dimension bekommen", so Wolfgang Amanshauser. Heute könne man sich leicht beschäftige, ohne zu Arbeiten, die Ablenkung wird schnell ritualisiert. Für Österreich schätzt Amanshauser das "Gefahrenpotential" insgesamt allerdings geringer ein, als für andere Länder: "Unsere Unternehmensstruktur basiert vor allem auf Kleinen und Mittelständischen Betrieben. Boreout ist dagegen ein Phänomen der Großunternehmen." 

Viele chronisch unterforderte Arbeitsbereiche seien zudem in den letzten Jahren optimiert worden: Dazu gehören viele Ämter und Behörden, die heute viel transparenter und effizienter arbeiten, als noch vor einem Jahrzehnt. "Aber auch durch die Krise sind viele Arbeitsplätze identifiziert worden, die nicht voll ausgelastet waren." Er verweist auf das Unternehmen Siemens, das eine gesamte Führungsebene aufgelöst habe.

Strategien gegen Boreout

Amanshauser kennt aber auch Negativbeispiele: "Überall dort, wo Gewerkschaften und Betriebsräte sehr stark sind, ist Boreout verbreitet. Besonders schlimm ist das etwa bei den sogenannten Jobcentern der Post und Telekom, wo unkündbare, aber nicht mehr benötigte Mitarbeiter effektiv fürs Nichtstun bezahlt werden." Im Interesse der Arbeitnehmer sei Freizeit im Job keinesfalls wünschenswert. Was aber sind Strategien gegen Boreout?

Chefs müssen lernen, zu delegieren. Wer alles selbst übernimmt, statt Mitarbeiter zu führen, der fördert Situationen, die mit Boreout enden können. Chefs sollen ihre Mitarbeiter kontrollieren, aber auch mit Lob und Anerkennung bedenken und ihnen Aufgaben entsprechend ihrer Interessen und Fähigkeiten übertragen. Das kann motivierender sein, als ein Bonus oder Dienstauto. Wer vielseitig interessiert ist, dem soll man abwechslungsreiche Tätigkeiten zuweisen.

Positives Arbeitsumfeld

"Und wer immer über Stress klagt, ohne nachvollziehbare Leistungen zu vollbringen", rät Amanshauser "den soll man dazu verpflichten, ein Logbuch oder Protokoll über jeden Arbeitstag zu verfassen." So werde die Leistung transparent; und das fördere oft erstaunlich geringe Leistungsniveaus zu Tage. Wer aber langfristig zufriedene Mitarbeiter wolle, der dürfe diese weder über- noch unterfordern. 

Für die Zukunft zeigt sich Amanshauser aber optimistisch: "Die schlechte Mitarbeiterführung, die wir in Österreich sehr häufig haben, wird sich in den nächsten Jahren stark verbessern. In vielen Bereichen werden schon bald die Arbeitskräfte ausgehen, spätestens dann sind Unternehmen gefordert, ein positives Arbeitsumfeld zu schaffen und Arbeitnehmern mehr zu bieten."

Mehr dazu auf  monster.at, 3. September 2010

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