Zur Einsamkeit des Human Ressource Managers

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Insights von Susanne Buchberger

Sie ist eine erfahrene Human Resources Managerin, die nicht nur die Sonnenseite von Human Resources Management erfahren hat. Sie weiß über sämtliche Facetten vom Unternehmenswachstum bis hin zur Insolvenz des Unternehmens Bescheid.

Seit Jahrzehnten wird diskutiert, wie sich das Personalmanagement beziehungsweise Human Ressource Management in einem Unternehmen positionieren kann oder soll. Unzählige Versuche einer Definition und von Darstellungen scheinbar idealer Konzepte und Modelle für erfolgreiches Personalmanagement später, scheint es, als müsste man immer noch diskutieren, was Personalmanagement leisten können soll, um als nützlich wahrgenommen zu werden.

Das Delta zwischen Admin-Angel und HR-Stratege

Damit jeder Mitarbeiter am Monatsende sein Gehalt auf seinem Konto findet, bei der Sozialversicherung gemeldet ist und die Steuern ordentlich abgeführt werden, gilt es administrativ, verwaltungorientierte Aufgaben in einem Unternehmen zu organisieren. Auf der anderen Seite soll der Personalist die Unternehmensstrategie antizipieren, zur richtigen Zeit die richtigen Mitarbeiter mit der geforderten Qualifikation zur Verfügung stellen können, die Aus- und Weiterbildung planen und umsetzen, State-of-the art Personalentwicklungsinstrumente implementieren und deren Nutzung optimieren, beides unter Maßgabe der vorhandenen Personalkostenbudgets.

Viele Unternehmen, vor allem im mittelständischen Sektor, oft auch in produzierenden Unternehmen, haben kein professionelles Personalmanagement. Oft gibt es zwar die Funktion des Personalmanagers, der aber dann oft nicht mehr ist als jemand, der operativ das Notwendige abwickelt und strategisch kaum eingebunden ist. Auf der anderen Seite gibt es viele, meist größere Unternehmen, die im Personalmanagement sämtliche Prozesse wie aus dem Lehrbuch definiert haben und derzeit die Herausforderung haben, aktuellen Schlagwörtern wie Employer Branding, Social Media Strategie und Talent Management, mit konkreten Maßnahmen Leben einzuhauchen. Natürlich sind gesellschaftspolitische und demografische Trends immer im Blickpunkt zu behalten und in unternehmerischen und strategischen Entscheidungen einzubeziehen, aber das alleine wird auch nicht allumfassende und Wunder bewirkende Lösungen für den nachhaltigen Erfolg eines Unternehmens darstellen. Daher werden sich Unternehmensleiter, Führungskräfte, Mitarbeiter weiterhin fragen: „Wozu braucht es Personalmanagement?“ oder eher: „Wozu brauchen wir dieses Personalmanagement, das wir gerade im Unternehmen haben?“

Neue Trends, Umsetzung der modernsten Methoden des Personalmanagements– ja, alles wichtig und gut. Aber wesentlich ist zu erkennen und zu spüren, was das Unternehmen in der aktuellen Situation braucht. Wo steht das Unternehmen? Welche Strategie gibt es, wenn es überhaupt eine gibt? Was sind die wesentlichen Merkmale in der Kultur des Unternehmens? Wie wird geführt? Was braucht es, um besser zu werden? Nicht alle Unternehmen sind zum selben Zeitpunkt am selben Entwicklungsstand und benötigen dringend die Umsetzung der neuesten Trends. Oft sind es die ganz wesentlichen Basisprozesse, die den Unterschied in Effektivität und Effizienz ausmachen. Zwischen einem Unternehmen, dass funktioniert und zwischen jenen, die wirklich performen. Und meistens braucht es irgendetwas zwischen Basisprozess und Antwort auf die Rahmenbedingungen des Markts, das rasch Wirkung zeigt und wenig kostet.

Die Bereitschaft tatsächlich Personalleiter zu sein

Aus meiner persönlichen Erfahrung beginnt gute personalistische Arbeit aber ganz woanders. Bei der Frage: „Bin ich als Personalleiter bereit, diese Rolle im Unternehmen buchstäblich auszuhalten?“ Personalisten oder solche, die diese Aufgabe anstreben, haben mitunter eine verklärte Vorstellung dieser Aufgabe. „Man kann viel für die Menschen im Unternehmen bewirken“, „In der Organisationsentwicklung kann ich kreative Maßnahmen umsetzen“. Tatsächlich fällt mir keine andere Funktion in einem Unternehmen ein, wo der Spagat zwischen administrativ-operativen Aufgaben – von Gehaltsverrechnung bis zum Arbeitsrecht – und strategisch-konzeptioneller Arbeit – wie die Umsetzung von neuen, vielleicht sogar mutigen Ideen – so groß ist. Und es gibt auch etliche Themen, wo die Grenzen verschwimmen. Die Entscheidung ob und wie ein Arbeitsgerichtsprozess geführt wird, kann eine strategisch relevante Komponente haben. Eine Maßnahme zur Organisationsentwicklung kann vertragsrechtliche Auswirkungen haben und man muss bei aller konzeptioneller Kreativität vielleicht erst monatelang eine Betriebsvereinbarung dazu ausverhandeln. Diese gesamte Bandbreite muss man wollen und können bzw. wissen, wofür welche Mitarbeiter im Team bestmöglich eingesetzt werden, um diese Fähigkeiten auf hohem Niveau zur Verfügung zu haben.

Darüber hinaus ist aber die wertvollste und wirkungsvollste Kernaufgabe, als interner und vertrauensvoller Berater ansprechbar zu sein und die Fähigkeit zu haben, in allem operativen Trubel, sich die Zeit zu nehmen, Menschen in der Organisation zuzuhören und wo möglich und notwendig Unterstützung zu geben. Für Führungskräfte aber auch für Mitarbeiter auf allen Ebenen. Führungskräfte brauchen Unterstützung und Rückendeckung in Personalentscheidungen, auch die Möglichkeit, manchmal auch leichten Zwang, sich mit Personal- und Führungsfragen überhaupt zu beschäftigen, bevor sie selbst vom operativen Alltag überrollt werden.

Und die eigenen Chefs brauchen auch interne Beratung und Betreuung. Je nach Unternehmensgröße sind das Divisionsleitungen, Geschäftsführer, Vorstände, die jemanden zum Zuhören brauchen. Oft dringender, als ihnen selber bewusst ist oder sie selbst einfordern würden. Mit wem wenn nicht mit der Personalleitung sollen Ideen gewälzt, strategische Szenarien überlegt, Personalentscheidungen auf der Führungsebene diskutiert werden? In vertrauensvollem Rahmen, ohne der Angst im Raum, dass ein diskutierte Entscheidung evt. irgendeinen Einfluss auf den jeweiligen Führungsbereich des Gesprächspartners hätte, die ihn unbewusst sofort davon abhalten würde, ein kreatives Brainstorming über die Zukunft des Unternehmens zu befeuern.

Die Wahrheit über die vielen Rollen als Personalleiter

Gestalter, Stratege, Berater, Umsetzer, Verwalter, Visionär, Gesprächstherapeut, Führungskraft – all diese Rollen vereinen sich Tag für Tag in der Funktion eines Personalleiters. Die Rollen wechseln manchmal stündlich. Zu jeder Zeit sich sehr genau bewusst zu sein, in welcher Rolle man in welcher Situation mit wem spricht, ist nicht immer einfach und verlangt ein hohes Maß an Souveränität. Im Zweifel hilft es, zu Beginn eines Gesprächs – zum Beispiel mit Mitarbeitern, die mit einem noch nicht viel zu tun hatten – klar auszusprechen, mit welcher Erwartung der andere an meine Rolle herangehen kann. Erst dadurch gelingt es oft, ein vertrauensvolles, offenes Gespräch zu ermöglichen. Je nach Organisationskultur oder auch je nach Persönlichkeit des Mitarbeiters haben manche Angst vor dem Personalleiter. Schließlich ist er derjenige, der am Ende auch die Kündigung ausstellt. Welche Informationen werden vertraulich behandelt? Welche werden an die jeweilige Führungskraft weitergegeben, welche gehen sogar weiter an den Vorstand? Die spiegelgleiche Erwartungsklärung braucht es gegenüber dem Vorstand. Welche Informationen kann er aus der Organisation von mir haben? Woher kommen diese Informationen? Aus vertraulichen Gesprächen oder eigenen Wahrnehmungen? Wann werden Namen genannt, wann nicht?

Die Einsamkeit

Das ständig für jede Situation auseinanderhalten zu können, ist sehr anstrengend und macht uns vor allem eines: Einsam. Man ist nicht Teil der Geschäftsleitung. Man ist aber auch nur bis zu einem gewissen Grad Teil der Führungsmannschaft, auf jeden Fall nicht der Kumpel für jedermann. Jeder weiß, dass man durch die Rolle des Vertrauten der Geschäftsführung auf der „anderen“ Seite steht. Deutlich wird das vor allem in Phasen der Umstrukturierung, wo heikle Personalentscheidungen zu treffen und umzusetzen sind. Professionelle Äquidistanz zu allen Beteiligten hilft, sich nicht im Dschungel der Informationen, die sich von allen Seiten in unterschiedlichen Situationen im eigenen Kopf ansammeln, jede in einer bestimmten Vertraulichkeitsstufe abgespeichert, zu verirren.

Wie in so vielen Führungspositionen, aber hier noch viel mehr, braucht es an der Stelle des Personalleiters authentische, in sich ruhende und integre Persönlichkeiten, die diese Einsamkeit nicht nur aushalten, sondern es als einen sehr erfüllenden Teil dieses Berufs leben können.

Anmerkung: Zur einfachen Lesbarkeit wird im Text die männliche Form verwendet, wobei jeweils alle Geschlechter gemeint sind.

Autorin
Mag. Susanne Buchberger
HR Expertin

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