Industrie 4.0 polarisiert die Arbeitswelten

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Industrie 4.0

Mein Kollege, der Roboter: Auswirkungen von Industrie 4.0 auf die Arbeitswelt

Die Arbeitswelt steht an der Schwelle zur vierten Revolution. Neue Geschäftsmodelle entstehen, einfache Tätigkeiten sollen künftig Roboter ausführen. Die Befürchtungen vieler Arbeitnehmer scheinen dennoch unbegründet.

Von Birte Schmidt

Noch ist es eine Zukunftsvision, und doch könnte dieses Bild schon bald Realität sein: Mensch und Roboter arbeiten Seite an Seite in einer Fabrik, an ein- und demselben Fließband, an ein- und derselben Aufgabe.

Der Automat denkt, der Mensch lenkt. Oder etwa andersherum?

Bei der Industrie 4.0, der vierten industriellen Revolution, steht die Vernetzung der digitalen mit der realen Welt im Vordergrund. Fachleute sprechen in diesem Zusammenhang auch von cyberphysischen Systemen, in denen sich die physische und die virtuelle Welt verknüpft.

Das Prinzip dahinter ist, dass der Mensch künftig eher indirekt an der Produktion beteiligt sein wird, indem er die Maschinen beispielsweise mit Daten zum Produktdesign und Arbeitsablauf versorgt oder sich um deren Wartung kümmert. Den Rest sollen allein die Geräte erledigen, die aufgrund der Vielzahl an eingeschleusten Daten ganz genau wissen, was zu tun ist. Die Zusammenarbeit läuft automatisch ab, menschliches Eingreifen wird nahezu überflüssig.

Das Ziel der Industrie 4.0: mit dem steigenden Einsatz von Software und Robotern in den „Smart Factories“, den intelligenten Fabriken, die Produktivität um bis zu 30 Prozent zu steigern, die Produktion flexibler und kostengünstiger und damit individuelle Fertigung möglich zu machen.

Industrie 4.0 = Arbeiten 4.0? Personalmanagement im digitalen Wandel

A futuristic android extending an arm with an empty hand

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Für viele Arbeitnehmer kommt diese Vision einer Machine-to-Machine-Communication einem Albtraum gleich, schließlich legt sie doch die Frage ungemütlich nahe, was denn für den Menschen noch zu tun bleibt, wenn Maschinen fast die komplette Arbeit erledigen.

Glaubt man den Untersuchungen einiger Experten, so ergibt sich tatsächlich ein bedrohliches Bild. So prognostizieren die beiden britischen Wissenschaftler Carl Benedict Frey und Michael Osborne von der Oxford-Universität, dass Roboter in den nächsten 20 Jahren bis zu 47% aller Jobs in den USA gefährden werden. Weil sie um einiges kostengünstiger als menschliche Mitarbeiter seien, steige der wirtschaftliche Druck, Menschen durch Maschinen zu ersetzen, mit dem technischen Fortschritt immens an, so die These.

Doch nicht überall malt man die Zukunft in gleichermaßen schwarzen Farben und so finden sich unter den Statistikern auch Optimisten. Einer aktuelle Untersuchung der Boston Consulting Group zufolge könnten durch den Wandel in den kommenden zehn Jahren sogar rund 390 000 neue Arbeitsplätze – Achtung! – hinzukommen. „Die menschenleere Fabrik wird es nicht geben“, sagt Studienautor Michael Rüßmann der Deutschen Presse-Agentur (dpa). „Es wird erstens weiter auch Arbeiter geben, die gemeinsam mit Robotern arbeiten. Zweitens werden Arbeitsplätze in der Fertigung IT-lastiger, das heißt, es entstehen andere Arten von Arbeitsplätzen.“

Doch auch wenn die Fabrik 4.0 nicht menschenleer sein wird, so werden sich doch die Anforderungen an die Arbeitnehmer künftig gravierend ändern. Wo zuvor manuelle Tätigkeiten gefragt waren, wird die Nachfrage nach Mitarbeitern mit IT-Kompetenz steigen, die Abläufe koordinieren, Kommunikation steuern und eigenverantwortlich Entscheidungen treffen können. „In der Summe überwiegen die positiven Effekte durch Industrie 4.0, das zusätzliche Wachstum schafft mehr Arbeitsplätze als in der Fertigung entfallen“, sagt Rüßmann.

Was bleibt ist die bisher ungeklärte Frage, wie es gelingen kann, allen Beschäftigten und damit
auch Un- und Angelernten eine Chance auf aktive Teilhabe und berufliche
Entwicklungsmöglichkeiten in der Industrie 4.0 zu ermöglichen, wenn Mitarbeiter mit deutlich
erhöhten Komplexitäts-, Problemlösungs-, Lern- und Flexibilitätsanforderungen konfrontiert
werden.

Noch gilt: Die Industrie 4.0 ist in deutschen Unternehmen längst nicht flächendeckend angekommen. Laut einer Umfrage der Experton Group planen derzeit gerade einmal fünf bis acht Prozent der kleinen und mittelständischen Unternehmen, eine derartige Strategie auszuarbeiten.

Das Interesse aber steigt deutlich: Während das Schlagwort Industrie 4.0 früher bei Google kaum
eingegeben wurde, so wird inzwischen über 33 000 Mal im Monat im Netz danach gesucht –
Tendenz steigend!

Birte-Schmidt-Journalistin
Birte Schmidt schreibt als freie Journalistin für Tageszeitungen und Magazine Artikel rund um die Themenbereiche Studium – Karriere – Beruf und Familie.

http://www.birteschmidt.de/

 

Quellen:
The future of employment: How suscetible are jobs to computersation. Carl Benedikt Frey / Michael A. Osborne. http://www.oxfordmartin.ox.ac.uk/downloads/academic/The_Future_of_Employment.pdf
http://www.bcg.de/media/PressReleaseDetails.aspx?id=tcm:89-185709
http://www.experton-group.de/consulting/industrie-40.html

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