Human Resources: Wie viel Verantwortung trägt der Personalchef?

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Ein Personalist rekrutiert nach bestem Wissen und Gewissen. Dennoch findet er nicht die Kandidaten, die sein Unternehmen braucht. Über Schuldfrage, Messbarkeit und das Brechen von Gewohnheiten.

Fotolia_6202659_XSIm Einzelfall wird niemand dem glücklosen Personalisten in obigem Beispiel die Schuld geben. Spielt es jedoch bei jedem Suchauftrag denselben Tango, sollte er sich Gedanken über seinen Anteil am Desaster machen. Die Geschäftsleitung übrigens auch.

Doch wie beurteilt man Erfolg oder Misserfolg der Personalabteilung? Genau hier liegt der Hund begraben, meint Georg Horacek, als Senior Vice President HR bei der OMV für immerhin 30.000 Mitarbeiter weltweit verantwortlich: „Human Resources gilt als diffuses Thema. Die Erwartung lautet oft einfach, keine Wellen zu schlagen.“ Was natürlich viel zu kurz greife. In seiner Funktion als Präsident des HR-Netzwerkes Forum Personal kämpft Horacek dafür, dass sein Berufsstand ebenso messbare und an Boni gekoppelte Ziele erhält wie andere Geschäftsbereiche, etwa Sales.

Am Beispiel des Rekrutierens: Für die meisten Branchen gelte die Faustregel, je schneller ein Suchprozess abgewickelt wird, desto besser das Ergebnis. Liege der Branchenschnitt bei acht Wochen, müsse der HR-Verantwortliche sich eben sieben Wochen zum Ziel setzen und in seine Vereinbarungen schreiben lassen. Genau davor scheuen sich jedoch viele Standeskollegen und argumentieren, ihre Leistung lasse sich nicht in Zahlen gießen wie Verkäuferumsätze. Horacek ist vom Gegenteil überzeugt: „Man kann für jeden Bereich klare Verantwortungen festlegen und davon Bonusziele ableiten.“


Leberknödelsuppe oder Schnitzel

Der OMV-Personalpräsident vergleicht HR-Funktionen gern mit einer Menükarte. Beim Forum Personal wird sie „HR-Standards“ genannt und beinhaltet alle Leistungen, die ein Big Boss von seinem Personalisten verlangen kann (siehe Kasten). Rekrutieren entspricht der traditionellen Leberknödelsuppe, die strategische Personalplanung schon dem Schnitzerl. Der Geschäftsführer will das Viergangmenü? „Kein Problem, das kostet eben 30 Euro mehr – mehr Leute, mehr Kapazitäten, mehr Budget.“
Doch wie erfüllt ein Personalist Anforderungen, deren Rahmenbedingungen er nicht beeinflussen kann? Am obigen Beispiel: Wie findet er etwa im völlig ausgetrockneten Technikermarkt 50 Elektrotechniker? Eine Frage der Einstellung, meint Horacek: „Dann überlege ich eben, ob ich etwa Physiker engagiere und umschule, ob ich junge Leute dazu bewege, Technik zu studieren oder ob ich Lehrlinge aufnehme und konkret für die offenen Positionen ausbilde.“ Dazu müssten jedoch vertraute Denkmuster (hier das Fokussieren auf den üblichen Recruitingprozess) über Bord geworfen und fantasievollere Wege begangen werden.

Nagelprobe in der Praxis

Mit eben dieser Herausforderung sah sich Daniel Bacher, Personalchef der Leobersdorfer Maschinenfabrik, vor zwei Jahren konfrontiert. Auf seiner Zielliste stand, sechs Lehrlinge aufzunehmen. Um die ritterten in der nur spärlich mit Nachwuchs bestückten Region auch lokale Größen wie Hirtenberger, Berndorf und Battenfeld.

Weil die üblichen Rezepte daher wenig Erfolg versprachen, entschloss sich Bacher, seine Recruiting-Hoheit aufzugeben (was ihm gar nicht leicht fiel) und die bestehenden Lehrlinge mit der Suche nach ihren eigenen Nachfolgern zu betrauen. Er versprach, selbst nur mehr in der Endauswahl mitzumischen. Das Projekt machte unter den Jugendlichen im Umfeld rasch die Runde, hatten doch die Leobersdorfer Lehrlinge in ihren Peergroups höhere Glaubwürdigkeit als jedes Unternehmen.

Bei der nunmehr dritten Auflage mangelt es weder an Qualität noch an Quantität. Die Lehrlinge beäugen ihre Nachfolger kritischer als der Personalchef selbst. Einer riet gar von einem Kandidaten ab, weil der beim Test geschwindelt habe: „Die 15-Jährigen wollen beweisen, dass sie mein Vertrauen wert sind“, rekapituliert Bacher, „sie sind schnell erwachsen geworden – und Projektmanagement haben sie auch gelernt.“

Was gute Personalisten ausmacht

„Kompetenz und Akzeptanz“, meint Bacher nach kurzem Nachdenken. Ersteres ließe sich nur durch Ausbildung und Seniorität aufbauen, Zweiteres sichere die Handlungsfähigkeit in Richtung Mannschaft wie Management. Auch Bodenhaftung spiele eine Rolle, das ständige im Betrieb Herumgehen – „mindestens die Hälfte der Zeit“ – und Wespennester aufspüren, bevor sie sich zu Problemen auswachsen. Für OMV-Personalchef Horacek ist ein guter Personalist, wer proaktiv hinausgeht, Themen entdeckt, definiert und die Verantwortung dafür übernimmt. Das Gegenteil wäre, bloß auf Fragen und Anforderungen zu reagieren. Den beliebten Begriff „HR-Business-Partner“ mögen beide Personalchefs übrigens gar nicht. Bacher: „Das klingt zwar wichtig. Aber vorstellen kann sich keiner etwas darunter.“

Quelle: karriere.diepresse.com, 13. Mai 2012

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